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Gekürzte Erläuterung aus dem Lexikon:

Derwische praktizieren den Sufismus und gelten als Quelle der Klugheit, der Heilkunst, der Poesie, der Erleuchtung und der Weisheit. Ihr ekstatischer Trancetanz gilt als eine der körperlichen Methoden, in religiöse Ekstase zu verfallen und mit Überweltlichem in Kontakt zu kommen.

Die drehenden Derwische sind besonders in der Türkei zu einer touristischen Attraktion geworden. Heute werden ihre Sema-Zeremonien fast nur zu diesem Zweck veranstaltet.

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Okay: Ich übernehme den Namen. Ich trainiere nicht jenes Drehen, bei dem sich alsbald die Welt dreht, und man steht still, anhand der Kontrolle, die man mit den tanzenden Beinen ausübt - hoppla, ich merke, ich kenne durchaus diese Erfahrung... es ist wohl eher so, dass ich da, wo ich bei passender Gelegenheit - mitten zwischen Tanzenden - in diese Sichtweise > Erlebensweise > Lebensweise > Lebensweisheit des Derwischs hineinlauschte, mich nicht lange aufhielt, sondern wieder heraustanzte.

Ich möchte kein Trance-Ritual durchführen, bei dem mir Menschen zuschauen, die anschließend triviale Kommentare zu mir sagen ("Mensch, hast du dich irre gedreht! Ist dir da nicht doll geworden?"... "Na, haste versucht, in Extase zu geraten?"). Ich glaube auch, dass die Perspektive des Derwischs zwar genial, aber handlungsarm ist. Tanzend kann man keinen Kuchen backen.

Aber ich übernehme den Namen für meinen Tanz hinein in beinahe die Gegenwart. Denn dieses Tanzen heraus aus alten Zeiten, begeistert in die bessere Musik neueren Datums hinein passierte. Zuvor war ich heimatlos in der neueren Welt - ich lief da durch manchen Karneval und blieb im Gemüt stecken zwischen der Renaissance und Justus von Liebig - gelangte also gerade mal von 1300 bis 1873. Dabei hatten die Hippies mir vermutlich immer zugewunken: Komm, wir nehmen die passendsten Drogen! Komm, wir lieben deine Kleidung! Komm, wir spielen mit Mystischem, wir haben vergleichsweise naiven Sex, wir haben eine Musik, in der du Platz findest! Ja. Das stimmte alles. Die Hippies waren ein kurzes Wunder. Ein Energieblitz. Eine kreative Pracht. Ein Toleranzbeweis. Und sie waren unterlegen: Den Kriminellen.

Da standen nun am 16.8.2019 etwa zwölf Hippie-Darsteller auf der Bühne, in einer Band, die die Musik von 1965 bis 1969 wachrief und dazu auch eine ansprechende Bühnenshow lieferte. Die Musiker und ihr Moderator beschönigten den Werdegang der Hippies nicht - die Kommerzialisierung, die zu geringe Bewältigung von Alltag, das Abrutschen. Die Berichte auf der Bühne glänzten dennoch - sie handelten von Menschen mit Paradies-Botschaften. Menschen mit Freiheit. Menschen mit tatsächlich der besten Musik, die vielleicht je innerhalb weniger Jahre erschaffen wurde: Vital, rhythmisch, aber auch verspielt, geduldig, dem Einzelnen applaudierend und die Gruppe zu einem Wachsen bringend, das über die Leistungen der Einzelnen hinausging.

Und da kam aus heiterem Himmel ein Botschaft zu mir. Eine Hand griff mich. Zwei Musiker deuteten zielstrebig auf mich, der ich mich hinten auf der Bühne aufhielt, zwischen einer Bassistin und einem fantastischen Trommler - ein Traum-Ort für mich. Auf der Bühne? Ja, die Musiker hatten gegen Schluss ihres Auftrittes in die Menge gewunken: Kommt, einige aus dem Publikum, und bewegt euch hier hoch, kommt zwischen uns. Ich ließ zwei Dutzend vor mir hochsteigen, dann kam die Neigung zum Dabeisein in mich und ich reihte mich in die Hochsteigenden. Wenige Menschen hinter mir machte ein Musiker, der auf der schmalen Treppe jeden einzeln mit Handschlag begrüßte, die Treppe dicht. In diesem frühen Moment schon muss er mich ausgewählt haben, hatte vorher die Menschen vorbeisteigen lassen, die zum Auftritt auf der Bühne irgendwie bereit waren. Aber das wusste ich nicht. Ich ließ andere Gestalten den Platz, sich vorne den Leuten zeigen. Ich fühlte mich wunderbar wohl hinten, meternah an sehr guten Musikern.

Doch da kam die Hand. Und ich kann das. Ich kann das, seit ich acht bin: Ich bin ein Bühnenteufel. Ich wurde nach vorne geholt. Der Moderator der Show forderte mich auf, oben die Kleidung abzulegen - wie er. Halbnackt tanzte ich und "machte alles richtig". Das will heißen, ich war kompletter, hellwacher Instinkt. Ich war Tanz, Erotik, Männertum, Dialog, publikumszugewandt und mich selbst. Ich war bei mir angelangt. Während ich meinen Körper all das machen ließ, die Show, die Sprache, die Wechselwirkung mit allen Anforderungen, die hier vor achthundert Leuten Publikum schon recht besonders waren, außerhalb allen Probens, improvisiert, spontan - da schwebte ich. Ich war der Derwisch. Weil es so gut lief, ließ die Band mich und den Moderator lange agieren. Es mögen drei Minuten gewesen sein.

Dann raffte ich meine Kleider vom Boden, verschwand wieder hinter die allgemein Tanzenden zu meinem vorherigen Platz, zwischen die Musiker, kleidete mich, immer noch tanzend, an - und wusste: Das war die Nachricht. Ich gehöre auf Bühnen. Ich bin eine Ausnahme. Die Hippie-Musiker hatten passend erspürt und gewählt.

Später erst wurde mir ergänzend klar: Ja, Charys, die Hippies sind die derzeit letzte Manifestation im Zeitstrahl, bei denen du sein kannst. Willkommen  nicht gerade in der vollen Neuzeit, aber doch immerhin auf einem Landeplatz, zu dem derzeit lebende Menschen noch einen erinnernden Bezug haben - jaja, die sind jetzt siebzig. Ich weiß nicht, wo ich je wieder landen kann - die aktuelle Gegenwart feindet den Feinsinn an, und ich sehe keinen Pfad, der zu kraftvollem Frieden führt - "Frieden" ist bei mir kein Zuckerschlecken, sondern ein energischer Akt gegen Dumpfsinn, Verlogenheit, Missbrauch, Krieg - genau genommen bin ich wohl dem verwandt, was in den USA "Yippie" genannt wurde - ein politisch engagierter, ein mit Humor agierender, ein pragmatischer Hippie.

Und aber eben: Ich gehöre auf die Bühne. Schaun wir mal.